In der italienischen Küche ist das Ragù eine meist sehr fleischlastige Sauce, die zu Pasta serviert wird. Der bekannteste Vertreter ist das Ragù alla bolognese. Doch neben der Bolognese gibt es noch eine zweite sehr bekannte Form: das Ragù napoletano. Während bei der Bolognese eine Sauce aus Hackfleisch und Tomaten gekocht wird, werden beim Ragù napoletano ganze Fleischstücke über Stunden hinweg langsam in der Sauce gegart. Diese werden dann entweder separat serviert, oder zerkleinert als Teil der Sauce. Auf die Gefahr hin, dass sich sämtliche italienischen Großmütter im Grab umdrehen, finde ich das Ragù napoletano am ehesten wie eine Mischung aus Bolognese und Gulasch. Man hat den Geschmack von Bolognese, aber das extrem zarte Fleisch wie bei Gulasch, das fast schon von selbst in seine Fasern zerfällt.
Wenngleich ich traditionelle Ragùs großartig finde, ergeben sich für mich dabei zwei Fragen. Erstens, wie kann ich ein ähnliches Ergebnis erziehlen, ohne dafür 6+ Stunden in der Küche stehen zu müssen? Klar, die Sauce kocht in dieser Zeit von selbst, aber trotzdem muss man hin und wieder umrühren. (Der Kochprozess dauert so lange, dass man das Ragù napoletano auch manchmal Sugo della guardaporta nennt: Pförtnersugo, weil ein Pförtner während seiner langen Wachschicht genug Zeit hat, so ein Ragù zu kochen.) Und zweitens, wie kann ich ein ähnliches Geschmackserlebnis erzeugen, ohne dabei Fleisch zu verwenden? Klar gleicht das schon fast einem Sakrileg, aber über pflanzliche Alternativen zu klassischen, „authentischen“ Fleischgerichten habe ich ja schon ausführlicher bei meinem Rezept für Bolognese geschrieben.
Meine Recherche ergab, dass es in Apulien ein traditionelles Rezept für Ragù di funghi cardoncelli, also ein Pilzragù mit Kräutersaitlingen, gibt. Dabei werden Kräutersaitlinge meist grob geschnitten und manchmal mit Tomaten gekocht. Das brachte mich auf eine Idee, wie ich meine beiden Fragen rund ums Ragù napoletano lösen kann. Vor ein paar Jahren habe ich ein Rezept für veganes Pulled Pork geschrieben. Damals war ich selber ein bisschen überrascht davon, wie lecker in Fasern gezupfte Kräutersaitlinge als Fleischersatz schmecken können. Man bekommt bei den Pilzen eine Fleisch-ähnliche Konsistenz und einen Geschmack voller umami. Klar schmeckt es nicht wie richtiges Fleisch, aber das wollen wir auch gar nicht unbedingt. Es soll primär einfach lecker schmecken!
Bei diesem Rezept bringe ich also das Geschmacksprofil einer Bolognese mit der Konsistenz von veganem Pulled Pork zusammen. Das Ergebnis? Überzeugt mich zumindest auf ganzer Linie. Ich kann dieses Rezept allen empfehlen, die Pilze gerne mögen, aber auch allen, die auf die satisfaction (sorry für den Anglizismus) von lange gegartem, extrem zarten Fleisch stehen. Probier’s aus und sag mir, was du vom Rezept hältst!
Solltest du stattdessen Lust auf viel Fleisch und lange Kochzeit haben, kann ich dir dieses Rezept von Italia Squisita empfehlen. Ich habe es selbst nicht nachgekocht, aber Italia Squisita ist meines Wissens einer der Goldstandards der italienischen Küche in den sozialen Medien. Oder für ein englisches Rezept, hier das Rezept von Gennaro Contaldo.
Zutaten für das Ragù Napoletano für 2 Personen
- 200-250 g Kräutersaitlinge
- 1 kleine Zwiebel
- 1 Karotte
- Knoblauch, 1-2 Zehen
- 1 Stängel (?) (ein Teil vom) Staudensellerie (optional)
- 100 ml Weißwein
- 1 Dose gewürfelte Tomaten (à 400g) (Alternativ dazu: 200 g Tomatenpassata)
- 2 EL Tomatenmark
- Salz, Pfeffer
- 1 MS Muskat (optional, rundet das Ragù noch ein bisschen ab)
- 1 Tl Zucker (optional, bei sehr trockenem Wein)
- Olivenöl
- 200-250 g Pasta (am liebsten etwas großes wie Paccheri)
- frisch geriebener Parmesan (optional)
Zubereitung des Ragùs
Die Zubereitung des Ragù Napoletao ähnelt der einer Bolognese in vielen Belangen.
Als allererstes kümmern wir uns um die Kräutersaitlinge. Dafür die Pilze mit einer Hand festhalten und dann mit einer Gabel in Streifen ziehen. Das schaut in etwa so aus:
So zupfen wir alle Kräutersaitlinge in feine Streifen. Die braunen Enden zerdrücken wir einfach mit der Gabel. Dann geben wir die Pilze beiseite.
Als nächstes kümmern wir uns um den Soffritto, also die Gemüse-Basis für unser Ragù. Dafür die Zwiebel sehr fein würfeln. Dann die Karotte entweder auch in kleine Würfel schneiden, oder fein raspeln. Den Knoblauch fein hacken und den (optionalen) Sellerie ebenfalls klein würfeln.
Anschließend stellen wir einen großen Topf auf hoher Hitze auf. Sobald er heiß ist, geben wir die gezupften Kräutersaitlinge zusammen mit einem ordentlichen Schuss Olivenöl dazu und braten sie für ein paar Minuten, bis sie leicht braun und knusprig ist. Dann reduzieren wir die Hitze auf mittlere Stufe und geben das Gemüse für den Soffritto mit einem weiteren Schuss Öl und einer ordentlichen Prise Salz in den Topf. Das braten wir jetzt für 10-15 Minuten, bis die Zwiebeln schön glasig sind. Dann geben wir das Tomatenmark dazu und verrühren es gut. Als nächstes löschen wir den Topf mit dem Weißwein ab. Wir kochen das ganze nochmals auf und lassen den Alkohol für ein paar Minuten verkochen. Dann geben wir die gewürfelten Tomaten dazu. Die Dose füllen wir nochmals mit derselben Menge Wasser und geben das ebenfalls zum Ragù. Das Ragù lassen wir so für 30-45 Minuten köcheln.
Zum Schluss müssen wir das Ragù noch abschmecken. Dafür mit ordentlich Salz und Pfeffer würzen. Solltest du einen besonders trockenen Weißwein verwenden, musst du ggf. noch eine Prise Zucker zugeben. Optional kannst du hier auch noch eine Prise Muskat zugeben. Das rundet das Ragù noch ein bisschen ab, ist aber nicht zwingend notwendig.
Während die Sauce fertig kocht, kochen wir noch die Pasta. Sobald sie al dente ist, seihen wir sie ab und fangen dabei ein bisschen was vom Nudelkochwasser auf. Die Nudeln dann mit dem Ragù vermischen und ggf. noch etwas vom Kochwasser zugeben, um die gewünschte Saucen-Konsistenz zu erreichen. Optional mit frisch geriebenem Parmesan servieren. Mahlzeit!